Wer lange mit den selben Leuten Rollenspiele spielt kennt das Problem sicher: es schleift sich eine gewisse Gewohnheit ein. Nicht nur dass jeder „seinen“ oder „ihren“ Platz am Spieltisch und im Gruppengefüge hat, sondern auch in der Art wie Probleme oder Gegner überwunden werden. Das Kämpfe dabei schnell langweilig werden oder in ein Wettrüsten der Sonderfertigkeiten ausarten ist eine Seite der Medaille, die andere ist, dass die Spieler unter Umständen soweit abstumpfen, dass über andere Lösungen als die Standardlösung („Gewalt ist immer eine Lösung.“).
Sicher, man kann die Gegner stärker machen und ihre Anzahl vergrößern, aber ist das ungewöhnlich? Wird man sich irgendwann mal bei einem Bier oder geminztem Wasser darüber unterhalten, dass die Angriff der 34 Orks soviel besser war als der der 29? Wohl eher nicht. Wer seinen Helden was Besonderes bieten möchte sollte vielleicht auf andere Konzepte setzten die nicht nur die Muskeln und die Rüstung fordern sondern auch den Helmwärmer zwischen den Schultern.
Der Gegner ohne Gesicht
Warum sollte die Bedrohung immer offensichtlich sein? Wie wäre ein geheimnisvoller Gegenspieler, der aus dem Verborgenen operiert und den Helden immer einen Schritt voraus ist? Und dabei muss es sich nicht mal um ein Detektivspiel handeln. Ein ganz normaler Auftrag kann vereitelt werden weil eine andere Fraktion das Ziel zuerst erreicht hat, obwohl die Informationen die die Spieler hatten kein Allgemeingut waren. Eine geheime Änderung der Karawanenroute wird an eine Gruppe erstaunlich gut organisierter Räuber verraten und das zu bewachende Handelsgut/die versprochene Braut kommt anhanden und muss wiederbeschafft werden. Nach und nach werden die Anzeichen deutlicher, dass die Gruppe von innen heraus verraten wird. Die Hinweise die einzeln betrachtet als Zufall gelten können zeigen irgendwann auf eine graue Eminenz die die Fäden in der Hand hält.
Für das DSA Universum wird dieses Motiv sehr schön in der Abenteuerkampagne „Das Jahr des Greifen“ von Bernhard Hennen (in der Neuauflage von Johannes Heck) aufgegriffen. Neben der offensichtlichen Problematik einer durch Orks belagerten Stadt geht innerhalb der Stadtmauern noch etwas Anderes, Besorgniserregendes vor sich, das direkt mit den jüngsten Ereignissen zusammen hängt. Irgendwann kommen die Spieler dann zu dem Schluss, dass die wahre Gefahr eigentlich nicht vor den Mauern lauert und als Spielleiter kann man ab diesem Punkt ganz hervorragend mit den Ängsten der Helden und den Paranoia der Spieler arbeiten um eine bedrohliche Atmosphäre aufzubauen, die man nur mit der Orkarmee wohl kaum geschafft hätte.
Die Geschichte ist auch als sehr lesenswerte Buchreihe (als Kooperation von Hohlbein und Hennen) mit 3 Bänden (hier der Link zur Gesamtausgabe) erschienen, allerdings ist dann der Reiz das Abenteuer zu spielen hin. Spielleiter können sich aber durchaus die eine oder andere Szenenbeschreibung abschauen.
Dein Gepäck, dein Gegner
Nicht immer muss der zu überwindene Gegner lebendig sein. Wie wäre es, wenn das Problem ein Gegenstand ist, den die Helden mit sich herum tragen? Oder das Herumtragen an sich wird zu einem Problem? Vielleicht ist der Gegenstand in bestimmten Gebieten verboten/ heilig/ instabil? Wie kann man ihn loswerden ohne dafür von offizieller Stelle bestraft zu werden? Was wenn die Spieler den Gegenstand nicht loswerden dürfen? In diesem Szenario werden plötzlich auch ansonsten nicht bedrohliche Situationen zu echten Problemen und Gegner die im Kampf eigentlich keine Schnitte hätten (wie der gemeine Stadtgardist oder Zöllner) werden zu unüberwindbaren Hürden.
In der Abenteuersammlung „Leicht verdientes Gold“ ist das Kurzabenteuer „Ein Diadem von Elfenhand“ enthalten, dass die Helden in eine Zwickmühle bringt, die genau mit diesem Szenario spielt. Von eine Edeldame werden sie gebeten einen Gegenstand an ihren Liebhaber zu liefern um ihm ihre Gunst zu beweisen. Dieser Gegenstand hat die zauberhafte Eigenschaft zu einer bestimmten Tageszeit eine Melodie zu spielen. Was als einfacher Auftrag beginnt wird zu einem echten Problem als der gehörnte und unwissende (aber durchaus mächtige) Ehemann zufällig zur Heldengruppe trifft und beschließt einen Teil seiner Reise mit ihnen zusammen zu verbringen.
Der Band ist leider nicht mehr zu bekommen, was bei Amazon zu Mondpreisen von ~ 80€ führt, wer ihn aber auf dem Flohmarkt oder auf der einen oder anderen Spielemesse bekommen kann sollte zuschlagen, da auch die anderen sechs Abenteuer wirklich spielenswert sind.
Der Gegner in dir
Warum sollte die Bedrohung immer von Außen kommen? Was wenn die Helden zur Bedrohung werden? Sie können entweder durch andere dazu gezwungen werden oder durch moralische Vorgaben sich bewusst dazu entscheiden. Auch eine unbedachte Heldentat kann dazu führen, dass man plötzlich auf der falschen Seite des Gesetztes steht und der Bösewicht ist. Reizvoll wird diese Version vor allem dann wenn die Spieler Helden führen, die eigentlich auf der hellen Seite von Recht und Ordnung stehen. Das müssen nicht immer die Paladine und Priester sein, auch ganz normale Handwerker und Tagelöhner fühlen sich wahrscheinlich unwohl, wenn sie etwas verbotenes tun müssen.
Der DSA Klassiker „Die Attentäter“ von Ulrich Kiesow greift dieses Motiv auf und bringt die Helden dazu gegen die anerkannte Ordnung zu arbeiten und ein Attentat auf Kaiser Hal zu planen. Die Spieler und Helden werden gezwungen gegen ihre eigentlichen moralischen Vorstellungen zu arbeiten und haben dabei auch nicht die Gewissheit mit heiler Haut aus der Geschichte raus zu kommen.Auch wenn es eher nostalgisch ist genau dieses Abenteuer zu spielen, so lässt sich der Einstieg in das Abenteuer und auch die generelle Geschichte natürlich prima für andere Zwecke verwenden (muss ja nicht schon wieder der Kaiser sein ;)). Als Spielleiter absolut lesenswert (aktuell bei Amazon und eBay für ~8 Euro zu haben) und unter den Abenteuern der zweiten Generation definitiv eins der besten.
Dieser Artikel ist Teil des Karnevals der Rollenspielblogs, im Januar zum Thema „Ungewöhnliche Gegner“ ausgerufen von Nerd-Gedanken. Informationen dazu , was der Karneval der Rollenspielblogs ist kann man hier finden. Die Beiträge des Janaurthemas werden von der Initiatorin in ihrem Blog zusammengefasst.