Könnt ihr euch, liebe Spielleiter, noch an die guten alten Zeiten erinnern? Die wo NSCs keine großen Sonderfähigkeiten brauchten und eine handvoll Zauber ausreichten um einen Magier zu personifizieren? Ich musste am Wochenende feststellen, dass diese Zeiten unwiederbringlich vorbei sind. Zumindest wenn meine DSA Runde mit ihren „Helden des Reiches“ auf den Spielplan tritt. Ja, sie sind mächtige und ruhmreiche Recken und sie haben sich das auch ehrlich und hart erspielt in nun fast 10 Jahren. Aber mit einfachen Grundwertgegnern brauche ich ihnen nicht mehr kommen.
Die Situation war ein wahrer Klassiker: Ein Dorf, zwei Handvoll Orks, Bürger ohne nennenswerte Kampferfahrung und die Spieler (bzw. ihre Charaktere). Zigfach schon gehabt. Es kommt wie es kommen muss, ein Wort gibt das Andere es wird etwas geschubst und geschoben, vielleicht versucht auch die eine Seite einen Boroni zu rädern, und schließlich kann auch der beste Mediator nichts mehr tun, es kommt zum Kampf.
Für alle die, die sich nicht mit DSA auskennen: die Basiskampfregeln kennen 3 Aktionen pro Runde pro Beteiligtem. Angriff, Verteidigung und eine kleine freie Aktion wie Ausweichen, einen Schritt gehen oder was fallen lassen. Soweit so gut. Außerdem gibt es noch einen 208 Seiten starken Regelband, der Sonderfertigkeiten für bewaffnete Konflikte bereithält, die die Charaktere lernen können und die das Kampfgeschehen zu ihren Gunsten verschieben sollen: zusätzliche Aktionen (mit der anderen Hand), weniger Zeitaufwand für lange Dinge wie das Zielen mit einem Langbogen, mehr Schaden (auf Kosten der Verteidigung) und so weiter.
Kommen nun die Sonderfertigkeiten die meine Spieler über die Jahre gesammelt haben zusammen, und treffen auf „Standardware“ aus dem nun auch schon 12 Jahre alten Abenteuer wäre der Kampf vorbei bevor er richtig begonnen hat. 28 Schadenspunkte (nach Abzug der üblichen 3 Rüstungspunkte) sind keine Seltenheit und damit das Ende jedes normalen Gegners. Das hat zwar etwas episches, nimmt aber gerade den eher aufs Kämpfen ausgelegten Charakteren irgendwie die Motivation, wenn schon die Heilerin der Gruppe ohne größere Anstrengung gestandene Orkkrieger auf die Reise Richtung Haarmeer schickt.
Die Lösung: die Gegner werden differenzierter, keiner meiner NSC betritt diese mehr Welt ohne einen wohl geplante Auswahl an Sonderfertigkeiten. Leider führt das aber auch dazu, dass die ohnehin schon ausufernden Kämpfe des DSA Systems noch aufwändiger werden, da meine Spieler durchaus Rechenschaft fordern, wenn ein Ork ihren wohl platzierten Angriff mit der freien Hand abwehrt (was mit der entsprechenden SF durchaus geht) und auch die Sonderfertigkeiten einen gewissen Verwaltungsaufwand bedeuten.
Diese „Aufrüstungsspirale“ lässt sich aber auch nur bis zu einem gewissen Grad betreiben, denn irgendwann komme auch ich als Spielleiter in Erklärungsnot, warum gerade dieser Weiler durch eine Elitetruppe bewacht wird. Meine Lösung: eine Mischkalkulation aus epischen Kämpfen und Schlachtvieh epischen Momenten. Und natürlich die eine oder andere, nennen wir es mal unschöne, Überraschung.
Die Erfahrung die ich an diesem Wochenende gemacht habe ist folgende: wie bei DSA3 auch schon, kippt das Mächteverhältnis des Systems wenn die Charaktere der Spieler ein gewisses Level überschreiten. Für meinen DSA3 Magier war es kein Problem ein mittelgroßes Dorf per Feuerball in einen rauchenden Krater zu verwandeln und danach noch einen Großteil seiner Macht einsetzten zu können um einen Dämonen zu unterwerfen. Allerdings sind die Mittel des Spielleiters im DSA 4 besser, da er NSCs und Monster auf Augenhöhe geben kann, ohne die physikalischen Parameter zu verändern. Mit etwas Mühe verkommen die Figuren der Geschichte nicht zu Schlachtvieh, deren Ende man eigentlich nicht großartig auswürfeln muss, sondern zu ebenbürtigen Gegnern. Allerdings ist dafür reichlich Vorarbeit notwendig und ziemlich viel Geblätter während des Kampfes.
Interessant, da habe ich andere Erfahrungen gemacht; eher die, dass mein Krieger mit 4000 AP in Sonderfertigkeiten und TaW 22 mit seinem persönlichen Zweihänder sich dreimal überlegt, ob er gegen vier Standard-Orks antritt, die außer Wuchtschlag-Manöver nichts können. Einfach deswegen, weil die Überzahl in DSA DER kampfentscheidende Faktor ist. Parade 20 hilft nichts, wenn man seine Aktionen schon alle verbraucht hat.
Gleiches gilt für die Sonderfertigkeiten – die meisten Kämpfercharaktere bei uns haben High-End-SF, die vielleicht alle fünf Abenteuer mal zum Einsatz kommen, weil sie in der Regel zu riskant sind.
Es gibt wesentlich bessere Stellschrauben für schwierige Kämpfe, als den Gegnern ein dutzend SF mitzugeben: Mein Tipp: Erhöhe die Anzahl moderat, gib ihnen nur den Wuchtschlag und einen etwas höheren AT-Wert (alte Abenteuer kann man in Bezug auf Werte eh vergessen), und nutze keine Kampf-Sonderregel außer „Aktion umwandeln“, so dass die Überzahl-Gegner, für die der Held keine Attacken mehr übrig hat, zweimal angreifen anstatt zu parieren. Dann werden aus drei Gegnern auf einmal vier unparierbare Attacken gegen den Helden, was heißt, dass man ohne dicke Rüstungen nach zwei Runden am Boden ist.
Auch mit Distanzklassen lässt sich viel machen, die sind nur etwas komplizierter im Einsatz und nicht ganz klar beim Kampf gegen mehrere Beteiligte.
Zu einem gewissen Teil hast du sicher Recht. Unparierbare Gegner sind für Helden ein echtes Problem. Allerdings muss ich an dieser Stelle meine Spieler loben: ohne explizite Aufstellungsbeschreibung geht von denen keiner mehr in den Kampf. Denn sie haben bereits genau das erlebt, was du beschreibst :).
Ich denke in den nächsten Runden wird es wohl eine Kombination aus beiden Taktiken geben. SF haben ja auch den charmanten Vorteil, die Spieler mal überrascht werden wenn der Gegner etwas episcjes, aber unerwartetes tut.
klar, die Regeln sind das Eine. Und Abwägungen und Interpretationen bei gefühlt zwanzig gleichzeitig geltenden Optionalregeln von Sonderfertigkeiten, Manövermodifikatoren und innerweltlicher Logik sind das andere.
Als am Abend beteiligter Spieler muss ich aber doch etwas betonen, was das entscheidende Kriterium sein sollte: der Spielspaß.
Ich für meinen Teil hatte ganz gewaltig Spaß. Der Kampf war schön, obwohl oder gerade weil er das Potenzial unserer Heldengruppe ausmacht. Und um bei der Gefühlslage zu bleiben: auch wenn kein Held der Gruppe ernsthaft Schaden genommen hat (!), war die Sache doch gefährlich. Ich habe zum Beispiel nicht gewusst, ob nicht im nächsten Moment irgendwo zwei oder drei orkische Bogenschützen auftauchen und uns ins Kreuzfeuer nehmen. Nur als Beispiel. Wäre wahrscheinlich auch kein großes Problem gewesen, hätte die Situation aber noch um einiges brenzlicher werden lassen können.
Was aber bleibt ist die Ungewissheit bei jedem Würfelwurf, ohne den ja auch die besten Werte nichts sind und als zweites die Erfahruung, dass man als Held des Reiches eben auch eine gewisse Wirksamkeit in der Spielwelt hat. Oder um die Eskapismustheoretiker zu bedienen: Das wahre Leben ist eben viel weniger heroisch und beeinflussbar als im Orkland einen fanatischen Tairachpriester bei einer Hinrichtung „mal eben“ mitsamt seinen Schergen niederzumachen.
Sieht so aus, als ob dein Konzept aufgegangen wäre.
Schön, dass es dir gefallen hat. An Bogenschätzen hatte ich gar nicht gedacht – danke dafür :D. Dass die „Helden des Reiches“ auch ihre epischen Momente haben müssen und eine erhebliche Gravität in der Spielwelt besitzen und auch besitzen müssen muss glaube ich nicht diskutiert werden.